Die Geschichte der Assistenzhunde

Die Geschichte der Assistenzhunde

Die Idee, dass Hunde speziell ausgebildet werden, um Menschen mit Behinderungen helfen zu können, ist noch relativ neu und hat sich erst im letzten Jahrhundert gezielt entwickelt. Die Entwicklung startete in Deutschland und ging von hier aus in die Welt.

Die ersten Assistenzhunde für Menschen mit Behinderung waren die Blindenführhunde. 50 Jahre später kamen die Assistenzhunde für LPF und die Signalhunde und danach die Autismushunde.

Jeder Pionier kämpfte bei der Entwicklung der Assistenzhunde gegen Vorurteile und Gegner. Lesen Sie wie sich alle Assistenzhundarten ihre Anerkennung erkämpfen mussten und wie häufig der Weg unmöglich schien. Manchmal jahrelang durch Herausforderungen und gescheiterte Versuche sah es so aus, als könnte diese Assistenzhundeart nie entstehen.

Werfen Sie einen Blick auf den allerersten bekannten Assistenzhund der Welt - Blindenführhund Buddy. Entdecken Sie in historischen Aufnahmen wie Buddy ihren Besitzer Morris Frank führt. Das Video von Buddy und Morris Frank aus dem Archiv der Organisation "Seeing Eye" finden Sie in dieser Lektion.

Blindenführhund

Bereits aus der Antike gibt es Wandmalereien die Führhunde mit ihren Menschen zeigen. 1780 begannen Bewohner des Pariser Blindenhospitals „Les Quinze-Vingts“ damit Hund auszubilden, die ihnen helfen sollten. 1788 bildete der blinde Siebmacher Josef Reisinger aus Wien seinen Spitz im Umgehen von Hindernissen aus. (Vgl. Rupp, Walter: Der Blindenführhund, Müller Rüschlikon, 1987.)

Dennoch dauerte es noch ein weiteres Jahrhundert, bis gezielt Blindenführhunde für Sehbehinderte ausgebildet wurden: während des Ersten Weltkriegs 1914–1918 in Deutschland. Der Erste Weltkrieg forderte viele Schwerverwundete. Darunter warten sehr viele Armeeangehörige, die durch Kopfverletzungen stark sehbehindert oder völlig erblindet sind. Der Verein für Sanitätshunde, bildete bereits seit 1893 Sanitätshunde aus, deren Aufgabe das Auffinden von Verwundeten nach Gefechten war. Der Verein entschied sich auch Führhunde für im Krieg Erblindete auszubilden. Dieser Vorschlag des Vereinsvorstandes stoß damals auf große Ablehnung. Die Gegner behaupteten, ein Hund sei nicht fähig, einen blinden Menschen zu führen und würde diesen nur in Gefahr bringen. Davon ließen sich die Ideenentwickler nicht beeinflussen und nahm in seinem Bericht über die Kriegsjahre 1915/1916 und 1916/1917 Stellung: „Es erschien dem Verein richtiger, in praktische Versuche einzutreten, als die Frage nur theoretisch zu prüfen, wie es von manchen Seiten geschehen ist. Fraglos ist der Blinde den Gefahren des täglichen Lebens gegenüber weniger geschützt als Sehende. Mit dieser Tatsache muss der Blinde sich abfinden, wenn nur einigermaßen dem tätigen Leben wieder zugeführt werden und nicht in einer Anstalt hindämmernd sein Leben verbringen will. Es kommt nicht darauf an, die Gefahrenmöglichkeiten theoretisch zu erschöpfen, sondern praktisch festzustellen, wie weit in der Tat die Gefahrenquelle für den Blinden eine gesteigerte ist, wenn er sich der Führung von Kriegsblindenhunden anvertraut, statt der Führung durch Menschenkräfte. Überwiegt der Vorteil den Nachteil, ist praktisch die Gefahrenquelle (wie Versuche zeigen) unerheblich, so ist der Gedanke, Kriegsblinde mit Hunden auszustatten, an sich gerechtfertigt, und es müssen Bedenken theoretischer Art dem gegenüber schweigen.“ (Vgl. Ebd.)

Neben der Ausbildung von Sanitätshunden bildete der Verein auch seit der Jahrhundertwende Polizeihunde aus. Daher verfügte der Verein über eine gute Zusammenarbeit mit seriös arbeitenden Ausbildungsstätten für Polizeihunde in ganz Deutschland, so auch mit der Staatlichen Zucht- und Abrichtanstalt Grünheide bei Berlin/Potsdam. Durch diese Zusammenarbeit konnte die Ausbildung von Blindenführhunden in die Praxis umgesetzt werden. Mit Hilfe der erfahrenen Züchter und Ausbilder baute man auf den 20 Jahre zurückliegenden Erfahrungen auf und entwickelte in nur wenigen Monaten eine Ausbildungsordnung.



Die Ausbildung


Bereits die Anfänge der Blindenführhundausbildung wiesen dem Hund dieselben Aufgaben wie heute zu: Im Jahresbericht 1915/1917 des Vereins für Sanitätshunde findet sich ein Beitrag zu der Aufgabe des Führhundes. Im Artikel „Der Kriegsblindenhund, seine Dressur und praktische Erfahrungen“ steht: „Der Blindenführhund soll einen doppelten Zweck erfüllen: einen ethisch-psychischen und einen praktischen. Er soll einmal stets und ständig um den Blinden sein, ihm das Gefühl des Alleinseins nehmen und in jeder Beziehung sein guter Kamerad werden. .... Andererseits soll der Hund dem Kriegsblinden praktische Dienste leisten: Er soll ihn auf der Straße leiten und führen, ihn sicher vor allen Weghindernissen und Gefahren der Straße bewahren. Er soll ihn zur Arbeitsstelle und sonstigen ein für allemal feststehenden Orten und von hier wieder nach Hause bringen, verlorene Gegenstände seinem Herrn aufsuchen und endlich für diesen selbst einen persönlichen Schutz bilden.“ (Vgl. Ebd.) Weiter heißt es im Artikel, dass nur größere Rassen sich eignen würden und dass die Ausbildung im Alter von 1-1,5 Jahren beginnen sollte. Zusätzlich wird empfohlen dem Hund zur akustischen Orientierung eine Glocke umzuhängen. Einzig die Vorstellung von dem Geschirr und Führbügel weicht von der heutigen Wirklichkeit ab. Früher sollte der Hund vor dem Blinden gehen, was einen längeren Führbügel voraussetzt und nicht seitlich neben ihm. Dieses lässt sich durch den geringeren Verkehr erklären. Früher wurde außerdem noch kein Taststock mitgeführt, um die Hindernisse, die vom Hund angezeigt werden, erkennen zu können. Die Grundelemente sind jedoch dieselben:

1. Allgemeine Erziehung: Gehorsamkeitsübungen, apportieren fallengelassener Gegenstände, das Gehen mit angespanntem Bügel vor dem Blinden.

2. Anzeigen von Hindernissen aller Art, was auf einer eigens dazu eingerichteten Anlage trainiert wird und ein Sich-Setzen des Hundes forderte. Erst wenn die Leistung im Hindernisgarten perfekt klappt, wird die Ausbildung im Stadtverkehr weitergeführt.

3. Einarbeitung des ausgebildeten Hundes mit dem Blinden. Dabei wurde nach einer Gewöhnungsphase wieder im Hindernisgarten begonnen, bis dann im Stadtverkehr weiter trainiert wurde.

4. Weiterführendes Training durch den Blinden zu Hause. Hierunter fällt all das, was der Führhundhalter ständig an Kontrollen und Korrekturen zu leisten hat, bis sich mit der Zeit eine sichere Führleistung ergibt.


Außerdem erhalten die Ausbilder in diesem Artikel Anweisungen den blinden Menschen besonders rücksichtsvoll zu behandeln und ihn zum intensiven Mitmachen bei der Ausbildung anzuregen. Die Schule wird auch angewiesen, dem Blinden ein Schreiben mit nach Hause zu geben, worin die zuständigen Behörden gebeten werden, ihm die Hundesteuer zu erlassen und ihm zu erlauben das Hundefutter im örtlichen Schlachthof zu beziehen.

Während der Anfänge waren viele Widerstände zu überwinden, damit die Führhunde zu öffentlichen Plätzen, Gebäuden und Verkehrsmitteln Zutritt haben. Beharrlich kämpften die Pioniere für eine Anerkennung der Blindenführhunde. Einen großen Durchbruch erreichten sie damit, als 1929 im Berliner Zoo ein Denkmal eines Führhundes enthüllt wurde. Es stellt einen aufmerksamen stehenden Schäferhund im Führgeschirr dar mit dem Zeichen des Roten Kreuzes.(Vgl. Ebd.)



Die erste Blindenführhundschule


Im August 1916 gründete Geheimrat Stalling, der Vorsitzende des „Deutschen Vereins für Sanitätshunde“, mit Unterstützung des Kriegsministeriums, die erste Blindenführhundschule der Welt in Oldenburg.

Bereits im Oktober 1916 wurde der erste Blindenführhund übergeben. Diese Führhunde wurden ursprünglich für den Dienst als Verwundetensuchhunde ausgebildet und wurden als Blindenführhunde umgeschult. Die kostenlose Abgabe erfolgte zunächst nur an Kriegsblinde. 1919 wurden 539 Kriegsblinde mit Führhunden versorgt und 1929 waren bereits 867 Führhunde im Einsatz. Die Oldenburger Führhundschule unterhielt im Laufe der nächsten Jahre neun Filialbetriebe (in Bonn, Breslau, Dresden, Essen, Freiburg, Hamburg, Magdeburg, Münster und Hannover) und bildete jährlich bis zu 600 Führhunde aus. Nicht nur deutsche Kriegs- und Zivilblinde erhielten diese Hunde, sondern auch Blinde in England, Frankreich, Spanien, Italien, Amerika, Kanada und Russland wurden mit Führhunden versorgt. Diese erste Blindenführhundschule der Welt musste 1926 seinen Betrieb einstellen. Jedoch entstand bereits 1924 eine zweite Führhundschule in Potsdam, die ebenfalls vom Verein für Sanitätshunde betrieben wurde. Diese Schule sorgte für bahnbrechende Erfolge, bildete vor allem Schäferhunde aus und wurde zum Mekka der Führhundausbildung. Bis 1941 hatte diese Schule über 2500 Hunde abgegeben. Durch das DDR-Regime musste die Schule 1952 geschlossen werden.

Zu dieser Zeit wurde der Deutsche Blindenbund für Führhunde (DBF) mit Sitz in Berlin gegründet. Er überwachte die Ausbildung der Führhunde und seine Mitglieder verpflichteten sich, jährlich eine Prüfung mit ihrem Führhund abzulegen. Wer diese nicht bestand, wurde nachgeschult. Der DFB informierte monatlich im Organ „Der Blindenführhund“ über das Vereinsgeschehen, sowie über Neuigkeiten und Probleme im Führhundwesen.


Internationale Entwicklung


Die Erfolge der Potsdamer Schule zogen auch die Aufmerksamkeit anderer Länder auf sich. Die Amerikanerin Dorotyh Harrison-Eustis, die als erste Ausländerin die Führhundausbildung erlernen sollte, arbeitete 1927 mehrere Monate unbezahlt an der Schule in Potsdam, um die Ausbildung von Blindenführhunden zu erlernen. 1928 eröffnete eine Schule in der Schweiz, woraufhin in den folgenden Jahren, mehrere Schulen in verschiedenen Ländern gegründet wurden.

Der Schwerpunkt verlagerte sich nach 1945 in die USA, wo große Blindenführhundschulen gegründet wurden. Erst 1949 wurden auch in der BRD wieder Blindenführhundschulen neu eröffnet. Während die deutschen Schulen sich von nun an auf privater Basis hielten, finanzierten sich die amerikanischen Schulen, wie „The Seeing Eye“ und „Guide Dogs for the Blind“ durch Spenden, was ihnen ermöglichte ihre Hunde gegen einen symbolischen Betrag abzugeben. Die Hunde kamen meist aus der eigenen Blindenführhundzucht. Die Aufzucht der Hunde wird von Patenfamilien übernommen, die mit dem Hund die Grundkommandos trainieren.

Neben der Ausbildung und der Einschulung legen diese Schulen einen großen Wert auf die Nachbetreuung der Sehbehinderten. (Vgl. http://elisabethhollik.online.de/meinweb/Ordner/Diplomarbeit.pdf, S. 67 ff.) So hat „Guide Dogs for the Blind“ eigene Angestellte, die sich nur um die Nachbetreuung der Führhundgespanne kümmern. Anfang der 1950er Jahre war „Guide Dogs for the Blind“ in San Rafael die erste Organisation, die Tests für Welpen ausprobierte, die die spätere Eignung als Blindenführhund einschätzen sollten. Die hohe Ausmusterungsquote der Hunde machte einen solchen Test nötig. So entwickelte sich ein eigenes Zuchtprogramm und die Erkenntnis, dass die Welpen das gute Wesen nicht nur von den Eltern vererbt bekommen, sondern in den prägenden ersten Wochen besonders sozialisiert werden müssen.


Erster bekannter Blindenführhund


Die in der Schweiz lebende Amerikanerin und Schäferhund Züchterin Dorothy Harrison-Eustis schrieb 1928 in „The saturday evening post“ einen Artikel über die Blindenführhundschulen in Deutschland und wie diese Hunde blinden Menschen helfen können. Dieser Artikel veränderte das Leben von blinden Menschen in Amerika. Frau Eustis erhielt auf ihren Artikel viele Briefe, darunter einen Brief von einem 19-jährigen Mann namens Morris Frank. Morris Frank war seit seinem 16. Lebensjahr erblindet durch einen Streit in der Schule und war sehr eingeschränkt in seinem Leben. Er beklagte, dass er keine Möglichkeit hatte zu arbeiten und immer auf die Hilfe von anderen angewiesen war. Bat er jemanden ihn zu führen, erlebte er immer wieder, wie die Leute ihn einfach irgendwo hinsetzten, bis sie der Meinung waren, dass sie jetzt wieder bereit sind, den jungen Mann weiterzuführen. Morris fühlte sich den anderen Menschen vollkommen ausgeliefert.

Auszug aus Morris`Brief an Eustis:

„Tausende blinder Menschen wie ich hassen es von anderen abhängig sein zu müssen. .... Hilf mir und ich werde ihnen helfen. Bilde mich aus und ich werde meinen Hund mit zurücknehmen und den Menschen hier zeigen, wie ein blinder Mann unabhängig und alleine leben kann.“ (Ascarelli, Miriam: Independent Vision: Dorothy Harrison-Eustits and the story of The Seeing Eye, Purdue University Press, 2010.)

Dorothy Eustis war von dem Brief so berührt, dass sie ihn einlud, zu ihr in die Schweiz zu kommen, um einen Blindenführhund zu bekommen. Hierzu ließ sie ihren in Potsdam ausgebildeten Trainer, Jack Humphry, dazu kommen.

Im April 1928 reiste Morris Frank in die Schweiz. Hier verbrachte er fünf Wochen mit Dorothy Eustis und Jack Humphry und lernte die Deutsche Schäferhündin „Kiss“ kennen, aus der Zucht von Eustis. Morris Frank änderte den Namen der Hündin in „Buddy“, weil er fand, dass dieser Name besser zu ihr passte. Jeder nachfolgende Hund von Morris Frank sollte später auch Buddy heißen, zu Ehren seiner geliebten, ersten Blindenführhündin. Als Frank mit seiner Buddy in die USA zurückkehrte, begann für die beiden ein sich über Jahre hinziehender Kampf für das amerikanische Führhundwesen und den Zutritt für Blindenführhunde in öffentliche Gebäude, Hotels und Verkehrsmittel. Aus diesen, teils dramatischen, Kämpfen um Anerkennung wurden die Anfänge des sich rasch entwickelnden Blindenführhundwesens in den USA.

Morris Frank hielt sein anfängliches Versprechen und wurde 1929 einer der Gründer von „The Seeing Eye“. Von 1929 an war er der Vorstand der Organisation und von 1931 bis 1956 Vizepräsident. Buddy wurde der berühmteste Blindenführhund der Welt und veränderte als erster Blindenführhund der USA das Leben vieler Menschen. Nach zehn Jahren im Dienst verstarb Buddy im Alter von 12 Jahren in den Armen ihres Herrchens. (Vgl. Frank, Morris; Blake, Clark: First Lady of the Seeing Eye. Holt, Rinehart and Winston, 1966.)

Morris Frank schrieb das Buch „First Lady of the Seeing Eye“ über Buddy, das 1984 als Film mit dem Titel „Love leads the way“ verfilmt wurde.


Ausbildungsmethoden


Seit Beginn der Ausbildung von Blindenführhunden stützte sich die Ausbildung vor allem auf Lernen durch negative Erfahrungen. Der Hund lernte, wenn er zu nah an ein Hindernis heranging, hat das unangenehme Konsequenzen für ihn, weil er einen Leinenruck, sowie verstellen des Geschirrs erfuhr.

Noch in den 1960er Jahren brachten Blindenführhundausbilder dem Hund bei, wenn nicht die Straße überqueren sollte, weil ein Auto naht, dass der Hund, durch das simuliert langsam fahrende Auto, angefahren wurde. So dachten sie, lernt der Hund durch eine schmerzhafte Erfahrung, dass er nie wieder bei einem fahrenden Auto die Straße überqueren sollte. Leider gibt es heute noch Ausbilder, die vor allem durch negative Verstärker und wenig Lob arbeiten. Dennoch gibt es inzwischen auch im Führhundwesen Ausbilder, die inzwischen mit positiver Bestätigung und selbst über den Klicker arbeiten.

Assistenzhund für Lebenspraktische Fähigkeiten


In den 1970er Jahren sah die Amerikanerin Bonnie Bergin auf einer Reise in Mexiko Esel, die für behinderte Menschen Lebensmittel trugen. Die Menschen stützten sich auf die Esel, wie auf eine Krücke, wenn sie nicht richtig laufen konnten. Das brachte sie auf die Idee, dass man auch Hunde dazu ausbilden könnte Menschen mit Behinderungen zu unterstützen. Allerdings hatte Bonnie Bergin keine Erfahrung mit dem Hundetraining. So ging sie zu Blindenführhundtrainern und „normalen“ Hundetrainern und erzählte ihnen von ihrer Vision. Jeder sagte ihr, dass das nicht funktionieren könnte und sowohl den Hunden als auch den Menschen mit einer Körperbehinderung nur schaden würde. (Vgl. Kawohl, Marion; Scherr, Heidi: Prima Partner: Ausbildungswege zum Behindertenbegleithund, Books on Demand GmbH, 2003, S.9f.)

In den 70er Jahren wurde die Hunde ausschließlich mit negativen Verstärkern ausgebildet. Dazu gehörte z.B. der Leinenruck und das Runterdrücken des Hundes. Damals wurde ein Hund über seine Körpererfahrungen ausgebildet, nicht über den Kopf. Das führte verständlicherweise zu der Annahme, dass Menschen mit einer Körperbehinderung nicht in der Lage seien, eine Leine zu halten oder einen Leinenruck durchzuführen, geschweige denn den Hund runterzudrücken. Bonnie Bergin jedoch glaubte weiter an ihre Idee und begann sich die Grundlagen des Hundetrainings selber anzulernen. Sie arbeitete für 2 Dollar pro Stunde in einer Hundepension, nur um das Wesen der Hunde zu studieren und die einzelnen Rassen kennenzulernen. Danach startete sie das Experiment, das heute die Grundlage für Assistenzhunde für LPF werden sollte.

Es dauerte noch zwei Jahre, in denen sie an ihrer Vision arbeitete, Hunde für körperbehinderte Menschen auszubilden. Hierfür entwickelte sie den Namen „Service dog – Servicehund“, woraus dann später der Name „Canine Companions for independence“ (Deutsch: Hunde als Gefährten für Unabhängigkeit), kurz CCI, wurde, um zu verdeutlichen, welche Bedeutung die Hunde für die Menschen haben. Gleichzeitig erarbeitete sie die Aufgaben, die von den Hunden gelernt werden sollten und gab ihnen Namen, wie z.B. apportieren, tragen usw. So wurde durch sie im Jahr 1975 in Kalifornien die gemeinnützige Organisation „Canine Companions for Independence“ gegründet.

In ihrem Experiment begann Bonnie Bergin Kontakte zu Tierheimen aufzunehmen, in der Hoffnung, dass Hunde aus Tierheimen Menschen helfen könnten. Leider bemerkte sie dann relativ früh, dass dieser Plan nicht aufging, weil sich früher oder später bei den meisten Hunden herausstellte, dass sie zuvor unentdeckte Verhaltensweisen hatten, die zum Ausschluss aus dem Programm führen mussten. So entwickelte sie ein spezielles Zuchtprogramm mit Labrador Retrievern und Golden Retrievern und arbeitete gleichzeitig an dem Gedanken die Zeit zwischen der Aufzucht und dem Servicehundetraining zu überbrücken. Dadurch entstand die Idee von Patenfamilien.

Als CCI 1981 in seinen Grundelementen stand, erhielt Bonnie Bergin die erste finanzielle Unterstützung und konnte ihr CCI Programm in einer kleinen Küche und Garage in Santa Rosa umsetzen. Damals hatte sie noch keine Ahnung von Vorschriften für die Unterbringung der Hunde und der Leitung von Angestellten. Ihre ersten Angestellten arbeiteten für einen Minimallohn.

Bis 1991 leitete Bonnie Bergin CCI. 1992 baute sie für die Delta Society das „People Pet Partner“ Programm auf, sowie für die National Disaster Search Foundation das Suchhundeprogramm. Im Oktober 2000 hat Bonnie Bergin gemeinsam mit europäischen Organisationen die europäische Schwesterorganisation der ADI, Assistance Dogs Europe, gegründet, um einheitliche Standards in der Assistenzhundeausbildung zu schaffen und die Ausbildung durch Zusammenarbeit der Organisationen untereinander zu verbessern. (Vgl. Ebd.)


Abdul und Kerry


Der erste Assistenzhund für LPF


Im Juni 1976 wurde der erste Assistenzhund für LPF bei CCI ausgebildet. Der erste LpF-Assistenzhund der Welt hieß Abdul und war ein schwarzer Labrador-Golden-Retriever-Rüde.

Nachdem keiner an die Idee von Bonnie Bergin geglaubt hatte, beschloss sie, es selbst in die Hand zu nehmen. Sie rief bei verschiedenen Organisationen für Behinderte an und fragte, ob sie jemanden kennen würden, der Interesse an einem Hund hätte, der ihm im Alltag mit seiner Behinderung helfen könnte. Als sie bei einer Organisation anrief die „Community Resources for Independence“ hieß, antwortete die Frau am anderen Ende der Leitung: „Ja, ich möchte da selber mit machen.“ Diese Frau war die 19-jährige Kerrill (Kerry) Knaus, die schwer behindert war, durch Muskuläre Dystrophie. Wenn Kerrys Kopf nach vorne auf ihre Brust fiel, hatte sie nicht die Muskeln im Nacken oder Arm, um sich wieder aufzurichten. Hierfür benötigte sie immer Hilfe von anderen.

Um dieselbe Zeit herum, als Bonnie Bergin mit Kerry vereinbarte, einen Hund für sie auszubilden, wurde die Golden Retriever Hündin von Bonnie Bergin versehentlich von einem Labrador gedeckt. Aus diesem Wurf behielt Bonnie Bergin einen Welpen.

Da sie bisher noch nicht mit behinderten Menschen gearbeitet hatte, dachte sie sich, dass der Welpe einfach bei Kerry aufwachsen könnte, damit er von klein auf lernt, mit ihrer Behinderung zu leben. Schon nach kurzer Zeit merkte Bonnie Bergin, dass dieses Konzept nicht funktioniert. Kerry konnte sich nicht allein um den quirligen Welpen kümmern und die Betreuer von Kerry wollten den Welpen während der Grunderziehung wieder zu sich nehmen. Regelmäßig traf sie sich mit Kerry und dem Welpen. Bei diesen Treffen lernte Kerry wie sie mit dem Welpen arbeiten und umgehen musste. Nachdem der Hund endgültig bei Kerry einziehen konnte, taufte sie ihn Abdul. Abdul hat von Anfang an perfekt mit Kerry harmonisiert. Er machte sofort alles, was Kerry von ihm wollte. Er wollte nichts mehr als Kerry zu gefallen. Es bestand eine Art Magie zwischen den beiden. Während der Treffen entstanden neue Ideen für Hilfstätigkeiten von Abdul. Durch ihre Behinderung konnte Kerry nicht laut sprechen, trotzdem hatte Abdul eine besondere Art immer zu wissen was Kerry wollte. (Vgl. Anderson, Allen; Anderson, Linda; Bekoff, Marc: Angel Dogs with a Mission, New World Lib, 2008, S. 22 ff.)

16 Jahre waren die beiden ein Team. Obwohl Kerry nach Abduls Tod weitere Assistenzhunde hatte, sagt sie heute: Keiner ist so wie Abdul. Sie hält Abdul noch immer dafür verantwortlich, dass ihr Leben zum Positiven verändert wurde. Auch Bonnie Bergin sagt, dass Abduls Entschlossenheit und seine Fähigkeit ihren Traum wahr gemacht haben, Hunde für Menschen mit Behinderungen auszubilden. Sie sagt weiterhin: „Ohne Abdul gäbe es heute keine Assistenzhunde für Menschen mit Behinderungen, wie man sie heute kennt.“

Zeitgleich bildete ein Ehepaar, Betty und Len Cohen aus New Jersey, einen Deutschen Schäferhund namens „Thunder of the Mountain“ zum Assistenzhund aus. Betty wurde ohne Arme geboren und Len hatte nur einen Arm. Das Paar bildete ihren Hund in Selbstausbildung aus, ohne die Hilfe von Hundetrainern in Anspruch genommen zu haben. Die Cohens trainierten Thunder, unabhängig von Bonnie Bergin, auf dieselben Aufgaben, die Bergin im Kopf hatte. Trotzdem war eine gezielte Ausbildung von Thunder nicht geplant: Len Cohen wollte mit Thunder eine normale Hundeschule besuchen. Als er dort mit dem Welpen ankam, teilte der Hundetrainer ihm mit, dass er nicht an der Hundeschule teilnehmen könne, weil den Hunden beigebracht werden würde, dass sie auf der linken Seite im "Bei Fuß" laufen. Da Cohen der linke Arm fehlte, war der Trainer der Meinung, der Hund könnte nicht trainiert werden. Deshalb blieb ihm nichts anderes übrig, als den Welpen selbst zu trainieren. Er kaufte sich ein Buch über Hundeerziehung und begann mit der Grunderziehung des Hundes. Als Thunder sieben Monate alt war, sah er, wie sein Herrchen Probleme hatte, das Licht anzustellen. Um seinem Herrchen zu helfen, begann er an der Kordel zu ziehen und das Licht anzuschalten. So entwickelte Thunder von sich aus immer mehr Aufgaben, um seinen Besitzern zu helfen. Er öffnete die Tür, nahm das Telefon ab, trug Gegenstände und überreichte in der Post die Briefe.

Thunder war der erste Hund, der die Assistenzhunde den Blindenführhunden gleichsetzte: Als Thunder einmal auf der Post in der Schlange nach vorne lief, um Briefe abzugeben, wurde Len Cohen angezeigt, weil er gegen das Gesetz verstoßen hätte, dass Hunde an der Leine zu führen seien. Das Gericht entschied, dass das Gesetz für Thunder nicht gelten würde, weil er ein Arbeitshund sei und kein Familienhund und von daher dieselben Rechte wie ein Blindenführhund hat.

Thunder tingelte mit seinen Besitzern in den USA und Kanada durch die Medien, um zu zeigen, wie der Hund seine behinderten Besitzer unterstützt. Im Alter von 16,5 Jahren starb Thunder 1981.(Vgl. Cusack, Odean; Smith, Elaine: Pets and the Elderly: The Therapeutic Bond, Routledge, 1984, S. 67 ff.)


Thunder


Internationale Entwicklung


Noch immer ist Canine Companions for Independence die weltweit größte Organisation für LpF-Assistenzhunde und noch immer arbeiten Assistenzhundetrainer weltweit nach dem Vorbild von Bonnie Bergin. Dennoch begann auch langsam in anderen Ländern die Ausbildung von Assistenzhunden für LPF.

In Deutschland war der Verein „Hunde für Handicaps e.V.“ mit Sitz in Berlin 1991 der erste Verein der, durch die Entwicklung in den USA, LpF-Assistenzhunde ausbildet.


Signalhund


Die Ausbildung von Signalhunden begann 1978 in den USA.(Vgl. Hornsby, Allison: Helping Hounds, Ringpress Books, 2000.) Das Tierheim in San Francisco, SPCA, suchte nach einem Weg, um noch mehr Hunden helfen zu können und gleichzeitig Hunden eine sinnvolle und bedeutungsvolle Aufgabe geben zu können. Noch heute werden gesunde und unkomplizierte Hunde in vielen Tierheimen der USA getötet, wenn das Tierheim voll ist. Teilweise nach einer Woche, manchmal vier Wochen nach ihrer Ankunft. So entwickelten sie das „Hearing Dog Program“, in dem sie Hunde aus ihrem Tierheim auf ihre Eignung testeten und als Signalhunde ausbildeten. Bis 2008 bildete die SPCA so über 800 Signalhunde aus. Im Mai 2008 wechselte der Vorstand des Tierheims und feuerte alle Angestellten des Signalhunde-Programms plötzlich und unerwartet. Von einem Tag auf den anderen wurde das erste Signalhund- Ausbildungsprogramm der Welt geschlossen. Die zahlreichen Unterstützer und Aktiven des Programms erlebten das als großen Schock. Verzweifelt versuchten die Unterstützer und Aktiven gegen die Schließung anzukämpfen. Sie protestierten, gingen auf die Straße, hielten eine Demonstration ab und schickten eine Petition gegen die Schließung in die Welt hinaus. Dennoch kamen alle Bemühungen zu spät. Die SPCA ließ sich nicht erweichen und hielt trotz aller, auch weltweiter Beschwerden, an der Schließung fest und gab die 13 Hunde, die sich aktuell in der Ausbildung befanden, zur Adoption als Familienhunde frei. (Vgl. http://articles.sfgate.com/2008-05-13/bay-area/17155426 1 rescue-dogs-spca-s-web-incredible-program.)

Einige Unterstützer, Freiwillige und Aktive des ehemaligen Signalhunde- Programms gründeten Ende 2008 eine neue gemeinnützige Organisation in San Francisco „Hearing Dog Program“. Sie begannen sofort engagiert mit dem Training und konnten bereits einige weitere Signalhunde ausbilden. Doch da sie wieder von Beginn an anfangen mussten, waren die finanziellen Mittel knapp. Im April 2011 stand das neue Programm vor der Schließung. Es waren nicht genug Spenden da, um weitere Hunde auszubilden. Offiziell nahmen sie keine weiteren Bewerbungen an, sondern vermittelten die sechs Hunde, die sie noch in der Ausbildung hatten an gehörlose Menschen auf ihrer Warteliste, die bereits zuvor einen Signalhund hatten und jetzt einen Nachfolgehund benötigen. Ein Jahr später hatte die Organisation einige größere Spenden erhalten und konnte wieder Signalhunde ausbilden.


Internationale Entwicklung


1979 fand in England eine Konferenz für Tierärzte statt. Auf dieser Konferenz berichtete der amerikanische Gast Professor, Lee Bustad, über Signalhunde-Programme in den USA, die gerade begonnen hatten. Hier befand sich auch der Tierarzt Dr. Bruce Fogle, der sofort fasziniert war von dem Signalhund Projekt. Nach der Konferenz kontaktiert er das Royal National Institute for the Deaf. Dort erfuhr er von Lady Wright, dass Gehörlosigkeit die Behinderung ist, die am wenigsten Verständnis und Mitgefühl in der Gesellschaft erfährt. Sie berichtete ihm allerdings auch, dass sie von den Programmen in den USA gehört hatten, aber glaubten, dass es unmöglich sei, so etwas in England finanziert zu bekommen. Trotzdem gab Bruce Fogle nicht auf und reiste 1981, wie unabhängig von ihm Lady Wright, in die USA, wo er verschiedene Trainingszentren besuchte. Im Anschluss traf er sich mit Lady Wright und es gelang ihnen einen Finanzierungsplan aufzustellen und Unterstützung von Futtermittelfirmen und anderen großen Firmen, sowie den Medien zu erhalten. In Oxfordshire wurde ihm eine Einrichtung angeboten, in denen die Hunde übernachten konnten und trainiert werden konnten. Gleichzeitig sagte die nahegelegene Tierklinik kostenlose Impfungen und Medikamente zu. Die britische Tierarztvereinigung versprach Signalhunde, ebenso wie Blindenführhunde, zu behandeln und ihnen zwei kostenlose Untersuchungen im Jahr zu ermöglichen.

Im Februar 1982, bei der Crufts Dog Show in London, wurde dieses Projekt der Presse vorgestellt. Unter denen die dort waren, war Tony Blunt, ein ehemaliger Polizeihundeführer, der damalige Trainer und Verwalter. Blunt brachte einen 1-jährigen Mischling aus dem Tierheim, Favour, mit. Favour war Tony Blunts eigener Hund, den er für Vorführzwecke zum Signalhund ausgebildet hatte und der erste Signalhund Europas wurde. Blunt reiste mit Favour durch England und hielt Vorträge, machte Vorführungen und berichtete über Signalhunde. Noch heute heißt das Magazin von „Hearing Dogs for Deaf People“ „Favour Magazine“ in Ehren an Favour.

Am 1. Juni 1982 wurde das Signalhunde-Programm in England eröffnet. Schnell mussten sie allerdings feststellen, dass die vorhandenen Gebäude nicht perfekt waren für das Training. Im Mai 1983 wurde ein eigenes Trainingscenter eröffnet. 1986 wurde „Hearing Dogs for Deaf People“ eine anerkannte gemeinnützige Organisation, die bis heute 750 Signalhunde ausgebildet hat. Lange Zeit arbeiteten sie mit Tierschutzhunden, bis sie vor einigen Jahren ihr eigenes Zuchtprogramm entwickelten. Heute züchten sie vor allem Labradore, Pudel und Spaniel für die Aufgabe als Signalhund.


Favour (ist der Hund in der Mitte)

Epilepsiehund


Bereits Mitte der 1980er Jahre wurde das erste Mal von Epilepsiewarnhunden berichtet. Dabei wurde eher zufällig herausgefunden, dass es Hunde mit der Fähigkeit zum Warnen gibt.

Die amerikanische Assistenzhundetrainerin Dawn Jecs führt im Washington Staatsgefängnis für Frauen ein Programm durch, bei dem die Insassinnen LpF-Assistenzhunde ausbilden sollten. In dem Programm befand sich die Deutsche Schäferhündin Sheba, die von der Insassin Sue Miller ausgebildet wurde. Bei einem Besuch der 14-jährigen Angie Barnum, die nicht nur auf den Rollstuhl angewiesen ist, sondern auch Epilepsie hat, erlitt diese einen epileptischen Anfall.

Sue Miller erinnert sich 1994 in einem Interview mit der "Associated Press": "Das erste Mal, als Sheba bei dem 14-jährigen Mädchen einen drohenden Anfall bemerkte, ging sie zu unserem Erstaunen direkt auf das Mädchen zu, starrte sie an und war absolut aufmerksam. Sie ignorierte meine Kommandos und zwang das Mädchen ihre Aktivität einzustellen. Auf Hundeart gab sie ihr zu verstehen sich hinzusetzen." Miller berichtet, dass jeder, der es miterlebt hat, sofort wusste, dass Sheba etwas Besonderes konnte: "Sie reagierte nicht nur auf einen Anfall, sondern konnte vorhersehen, wenn ein Anfall kommen wird." (Vgl. http://community.seattletimes.nwsource.com/archive/?date=19980607&slug=27549639)

Shebas Gabe wurde schnell bekannt. Die Medien stürzten sich damals auf diese Geschichte und so wurde der Begriff „Seizure Alert Dog“ (deutsch: Anfallswarnhund) geboren. Sheba war die weltweit erste Warnhündin. Sheba wurde an Angie Barnum vermittelt. Seit ihrer Kindheit litt Angie unter mehrmals täglichen Anfällen, bei denen sie teilweise Atemaussetzer hatte. Bevor sie Sheba bekam, traute sich die junge Frau nicht mal allein ihre Haare zu waschen aus Angst vor einem plötzlichen Anfall. Sheba bemerkte jeden ihrer Anfälle einige Minuten im Voraus. Nahte ein Anfall, brachte sie Angie dazu sich hinzulegen, damit sie sich durch einen Sturz nicht verletzen konnte und wachte während des Anfalls über die Atmung ihres Frauchens. (Vgl. Bustad,L.K.1988.Living together: People, animals, environment-A personal historical perspective. Perspectives in Biology and Medicine 31, 171-184.)


Angie und Sheba


Allerdings sollte es noch Jahre dauern, bis die ersten Epilepsiehunde gezielt ausgebildet wurden. 1996 wurde als Erstes auf der Welt in North Carolina, USA, eine Organisation gegründet, speziell für die Ausbildung von Epilepsieanzeigehunden. Einige der Hunde kamen aus dem Tierheim, anderen von Züchtern und wieder andere lebten bereits beim Epileptiker.


Internationale Entwicklung


1999 berichtete der britische Arzt und Epilepsie-Spezialist Dr. Stephen Brown im „European Journal of Epilepsy“, dass es ihm möglich war, Hunde gezielt darauf zu trainieren, ihren Menschen mit Epilepsie vor einem Anfall zu warnen. Das Training erfolgte über Operante Konditionierung: Jedes Mal, wenn der Besitzer einen Anfall hatte, wurde der Hund belohnt, so dass der Hund irgendwann im Vorfeld anzeigte, weil er den bevorstehenden Anfall erwartete. Darauf wurden auch in anderen Ländern Epilepsieanzeigehunde ausgebildet.

Bis die Epilepsieanzeigehunde in den deutschsprachigen Bereich gelangten, dauerte es bis 2004. Die Trainerin Gabriele Rosenbaum bildete 2004 den ersten Epilepsieanzeigehund in Deutschland aus, eine Labrador Hündin namens Bea, für die 13-jährige Anne. Die Hündin wurde speziell ausgesucht und zog schon als Welpe zur Familie mit dem epileptischen Mädchen. Von hier aus fand wöchentlich das Training des Hundes statt.

Die Hundetrainerin Gabi Rosenbaum, die eine Hundeschule in Bremen führt und Blindenführhunde ausbildet, erfuhr bei der ADEu Konferenz von der Ausbildung von Epilepsieanzeigehunden. Ein Assistenzhundetrainer aus Israel hielt auf der Konferenz einen Vortrag über die Ausbildung von Epilepsiehunden. Interessiert an der Ausbildung nutzte Gabi Rosenbaum die Möglichkeit mehr von dem Trainer aus Israel zu erfahren. Zurück von der Konferenz, beschloss sie diese Möglichkeit auch nach Deutschland zu holen und so wurde Bea der 1. Epilepsieanzeigehund in Deutschland.

In den folgenden Jahren folgten durch Medienberichte weitere Hundetrainer in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit der Ausbildung von Epilepsieanzeigehunden.

Diabetikerwarnhund


Armstrong, der 1. Diabetikerwarnhund der Welt

Zum ersten Mal wurde 1992 in einer Fallstudie, die in einer diabetischen Fachzeitschrift veröffentlicht wurde, von Hunden berichtet, die bei Diabetikern lebten und auf Unterzuckerungen reagierten. Allerdings dauerte es noch über ein Jahrzehnt, bis die ersten Assistenzhunde für Diabetiker ausgebildet wurden.

Die ersten Diabetikerwarnhunde wurden 2003 in den USA ausgebildet. Gleichzeitig entwickelten zwei Menschen unabhängig voneinander die Idee Diabetikerwarnhunde auszubilden:

Mark Rufenacht, ein Typ 1 Diabetiker, arbeitete für „Guide Dogs for the Blind“ in San Rafael als Patenfamilie. Während einer Reise im Oktober 2003, hatte er seinen Patenhund, einen 1-jährigen schwarzen Labrador, namens Benton, dabei. Der 1-jährige Benton befand sich in der Ausbildung zum Blindenführhund. Als er sich schlafen legte, merkte er nicht, wie er in der Nacht stark unterzuckerte. Der sonst so gut erzogene Benton versuchte Rufenacht zu wecken, indem er aufs Bett sprang und ihn anbellte. Benton ließ nicht locker, bis Rufenacht seinen Blutzucker maß und etwas aß. Er war unterzuckert. Am nächsten Tag realisierte Rufenacht was geschehen war und fragte sich, ob es wohl möglich sei, Hunde für Diabetiker speziell auszubilden.

Mark Rufenacht arbeitete hauptberuflich bei einer Firma, die Atemanalysen bearbeitete, war ihm bekannt, dass getestet werden konnte, ob ein Diabetiker unterzuckert war, oder durch Alkohol benommen war. So glaubte er sofort daran, dass der Labrador Benton seine Unterzuckerung wahrgenommen hat. Kurze Zeit später hatte Rufenacht einen neuen Patenhund von "Guide Dogs for the Blind“. Den gelben Labrador Rüden Armstrong. Armstrong musste von „Guide Dogs for the Blind“ als Blindenführhund ausgemustert werden, weil er sich weigerte durch Pfützen zu laufen. So fragte Rufenacht, ob er Armstrong übernehmen könnte und versuchen könnte, ihn zu einem Assistenzhund für Diabetiker auszubilden. Er begann mit Armstrong das Training. Als Armstrong ihm verlässlich Unterzuckerungen und Überzuckerungen anzeigte, gründete er die gemeinnützige Organisation „Dogs 4 Diabetics“, die ihren Sitz in San Francisco hat. „Dogs 4 Diabetics“ vermittelt die Hunde nur an Diabetiker aus der Nähe. 2010 hat „Dogs 4 Diabetics“ sein Trainingszentrum auf Washington, Oregon und Nevada ausweitet.

Michelle Reinkemeyers Sohn Joseph wurde 2000 mit Typ 1 Diabetes diagnostiziert. Ihr Sohn starb während seines elften Krampfanfalls durch eine Unterzuckerung 2003 in einer Nacht fast. Als sie ihn in die Notaufnahme des Krankenhauses brachte, beschloss sie, dass sie etwas ändern muss. So beschäftigte sich Michelle Reinkemeyer mit der Möglichkeit der Ausbildung von Hunden die Diabetikern helfen können. Im Internet las sie von einer Frau, die einen Assistenzhund für eine andere Erkrankung hatte, der dieser Frau zufällig auch eine Unterzuckerung angezeigt hatte. Zu der Zeit arbeitete Reinkemeyer als Ausbilderin für Drogenspürhunde. Sie telefonierte mit Assistenzhundorganisationen und bat diese um Hilfe. Keiner wollte ihr helfen. Niemand glaubte daran, dass ein Hund Unterzuckerungen erkennen kann. So begann sie selbst ein Training zu entwickeln, dass sie an mehreren Hunden, die sich gerade bei ihr in der Ausbildung zum Drogenspürhund befanden, ausprobierte. Diese Hunde vermochten zwar den Geruch an den Kleidungsstücken ihres Sohnes zu finden, die er während einer Unterzuckerung trug, aber keiner dieser Hunde zeigte eine Veränderung, wenn Joseph wirklich unterzuckerte.

Michelle Reinkemeyer gab nicht auf und kaufte einen acht Wochen alten Schäferhund-Welpen, Delta. Mit ihm probierte sie das Training für Unterzuckerungen aus. Jeder sagte ihr zu der Zeit, dass es unmöglich sei, einen Hund darauf zu trainieren Unterzuckerungen zu erkennen. Doch sie ließ sich nicht beirren und schon nach nur zwei Wochen weckte Delta Joseph in der Nacht. So ging es weiter. Delta bellte und ließ nicht locker, bis Joseph seinen Blutzucker maß.

Michelle Reinkemeyer ist Mutter von sieben Kindern. Kurz nachdem sie Delta bekommen hatten, wurde auch ihre älteste Tochter, Alice, mit Typ 1 Diabetes diagnostiziert. Für sie bildete Reinkemeyer einen gelben Labrador, namens Lance, aus. Dank des Labradors erlebte Alice nie einen Krampfanfall wie ihr Bruder. Daraufhin begann Michelle Reinkemeyer Diabetikerwarnhunde in einer großen Assistenzhundorganisation auszubilden.

Während eines ihrer ersten Interviews bei „Good morning America“ gemeinsam mit der Organisation, wurde sie von der Organisation übergangen. Die Organisation verlangte von ihr, dass sie erzählte, dass auch ihre beiden Hunde, Delta und Lance, durch die Organisation ausgebildet wurden.

Ausserdem wurde ihren Kindern vorgeschrieben, was sie tragen sollten und was sie sagen durften. Das gefiel Michelle Reinkemeyer nicht. So gründete sie 2004 in Missouri die gemeinnützige Organisation „Heaven Scent Paws“. Innerhalb weniger Jahre bildete sie dort gemeinsam mit Ehrenamtlichen über 300 Diabetikerwarnhunde aus. 2008 taten sich einige Klienten von „Heaven Scent Paws“ zusammen, die die beiden letzten Einschulungen besucht hatten. Sie reichten insgesamt 28 Klagen gegen Michelle Reinkemeyer ein. Gründe hierfür führten sie an, dass die Diabetikerwarnhunde von „Heaven Scent Paws“ bei einigen von ihnen keine Unterzuckerungen anzeigten, bei anderen ängstlich oder aggressiv seien. Michelle Reinkemeyer verteidigte sich dadurch, dass sie sagte, dass sie hunderten zufriedenen Diabetikern helfen konnte und die wenigen Diabetiker sich geweigert hatten, das Training zu Hause fortzuführen. Zusätzlich hätten sie den Kontakt abgebrochen, sobald sie mit dem Hund zu Hause waren, obwohl das zur Überwachung des Trainings notwendig war. Michelle Reinkemeyer erhielt viel Rückhalt von Diabetikern, die bereits einen Diabetikerwarnhund von ihr hatten und diese Kampagne gegen sie als Rufmord bezeichneten. Gleichzeitig starteten einige Personen im Internet verschiedene Seiten darüber, dass Michelle Reinkemeyer eine Betrügerin sei und weitere persönliche Anfeindungen.

Nach mehreren Anhörungen, und nachdem sich die Medien einschalteten von der Seite der „angeblichen“ Opfer, wurde Michelle Reinkemeyer im August 2010 vom Gericht verurteilt. Sie musste die Spenden in Höhe von $192.216,56 an die Klienten zurückzahlen. Zusätzlich wurde ihr untersagt, jemals wieder Diabetikerwarnhunde auszubilden. Michelle Reinkemeyer, die begonnen hatte, um ihren Kindern zu helfen und später anderen Diabetikern helfen wollte, zog sich vollständig aus der Öffentlichkeit zurück. Sie verkaufte ihr Anwesen, auf dem die Hunde trainiert wurden und sie gelebt hatten, und zog mit ihrer Familie an einen unbekannten Ort.

Zeitgleich mit dieser Kampagne gegen Michelle Reinkemeyer entwickelte sich in den USA ein großer kommerzieller Boom an Diabetikerwarnhundausbildern. Plötzlich begannen dutzende Menschen damit, Hundeschulen zu gründen und Diabetikerwarnhunde in Selbstausbildung für viel Geld auszubilden. Viele dieser Ausbilder hatten vorher keine Erfahrung in der Ausbildung von Assistenzhunden oder mit Diabetes. Die meisten dieser Ausbilder beteiligten sich an der Kampagne gegen Michelle Reinkemeyer.

2011 ging der Trend weiter. Noch mehr kommerzielle neue Ausbilder von Diabetikerwarnhunden taten sich in den USA auf. Einige dieser Ausbilder starteten eine ähnliche Kampagne gegen die einzig übrig gebliebene gemeinnützige Organisation für die Ausbildung von Diabetikerwarnhunden, „Dogs 4 Diabetics“.

2012 veränderte Dogs 4 Diabetics seine Richtlinien. „Dogs 4 Diabetics“ verpflichtet seit April 2012 jeden Diabetiker, bevor sie sich bewerben, einen Vertrag über die Anerkennung der Richtlinien zu unterschreiben. Zu den neuen Richtlinien gehört unter anderem, dass die Diabetiker die Hunde vorerst 1 Jahr in Pflege erhalten und in diesem Jahr monatlich die Trainingsfortschritte nachweisen müssen. Geschieht dies nicht, müssen sie den Hund jederzeit zurück an die Organisation geben. Erst nach einem Jahr, wenn bewiesen wurde, dass der Diabetiker mitarbeitet und der Hund zuverlässig warnt, ist es möglich, den Hund dauerhaft zu übernehmen, mit der Auflage, den Hund bei Problemen jederzeit wieder zurück an „Dogs 4 Diabetics“ zu geben.


Internationale Entwicklung


Von den USA aus zog die Diabetikerwarnhundausbildung Übersee. 2005 wurde die gemeinnützige Organisation „Paws for diabetics“ in Australien gegründet und bildet seither Assistenzhunde aus. 2006 begann in den Niederlanden eine Frau mit der Ausbildung von Collies zu Diabetikerwarnhunden.

Im selben Jahr begann eine Organisation in England, die Assistenzhunde ausbildet, mit dem Versuch, Diabetikerwarnhunde auszubilden. Inzwischen existieren weder diese englische Organisation noch diese Ausbildungsstätte in den Niederlanden.

2007 begann Luca Barrett, selber Typ 1 Diabetikerin, mit der Ausbildung des ersten Diabetikerwarnhundes in Deutschland. Zeitgleich ließ sie sich in den USA fortbilden und besuchte in Deutschland verschiedene Hundetrainerkurse. Sie absolvierte die Ausbildung zur Hundephysiotherapeutin, um die Anatomie der Hunde kennenzulernen, um herauszufinden wie Hunde Unterzuckerungen erkennen können. Gleichzeitig beriet sie sich mit einem Diabetologen und einer Diabetesberaterin darüber, was genau im Körper während einer Unterzuckerung und Überzuckerung vor sich geht, um herauszufinden, was der Hund dabei bemerken könnte.

Darauf folgte das Projekt „Diabetikerwarnhund NRW“ in dem sie ehrenamtlich Diabetikerwarnhunde für andere Diabetiker ausbildete und die Teilnahme an der Studie zu Diabetikerwarnhunden von der Queen`s Universität.

2008 fragte sie bei verschiedenen Hundeschulen und Hundetrainern an, ob jemand mit ihr gemeinsam die Ausbildung von Diabetikerwarnhunden in Deutschland angehen möchte. Jeder lehnte ab mit der Begründung, dass sie nicht glauben, dass Hunde wirklich Unterzuckerungen erkennen könnten und es in Deutschland sowieso niemanden interessieren würde.

Luca Barrett gab nicht auf. Im April 2008 erhielt sie den ersten Anruf einer Journalistin die von dem Projekt „Diabetikerwarnhund NRW“ gehört hat und mit ihr ein Interview führen wollte. Nach dem ersten Interview stand das Telefon nicht mehr still und bis zu sechs Journalisten riefen täglich an, um über dieses neue Wunder in Deutschland „Diabetikerwarnhund“ zu berichten.

Mit dem enormen Medieninteresse riefen täglich auch mehrere Diabetiker an, die „so einen Hund“ haben wollten. Luca Barrett wurde zu Vorträgen eingeladen und als Dozentin von verschiedenen Ausbildungsstätten für Assistenzhunde angefragt. Einige der Hundeschulen, die sie vorher abgelehnt hatten, kamen, nach der Berichtserstattung der Medien, wieder auf Frau Barrett zu und fragten sie, ob sie jetzt mit ihnen zusammenarbeiten möchte. Diesmal lehnte Luca Barrett ab und gründete gemeinsam im Juni 2008 zusammen mit Diana Poyson eine Hundeschule für die Ausbildung von Diabetikerwarnhunden. Im selben Jahr bildeten sie auch die ersten Diabetikerwarnhunde in Österreich und der Schweiz aus.

Inzwischen hat Luca Barrett mit ihren Mitstreitern erreicht, dass Diabetikerwarnhunde in Deutschland, Österreich und der Schweiz öffentlich bekannt sind und auch bereits von der Bundesregierung und Dachverbänden als Assistenzhund anerkannt werden.


Luca Barrett und Finn, der 1. Diabetikerwarnhund Deutschlands


Der erste Diabetikerwarnhund in Deutschland


2007 begann Luca Barrett mit der Ausbildung von Diabetikerwarnhunden in Deutschland. Ihr Mischlingshund Finn ist der erste Diabetikerwarnhund Deutschlands. Sie sagt: „Ohne Finn würde es heute immer noch keine Diabetikerwarnhunde in Deutschland geben.“

Als Luca Barrett, Typ 1 Diabetikerin, durch ihre Hypowahrnehmungsstörungen zunehmend mehr Probleme wegen ihres Diabetes bekam, musste sie ihr Lehramtsstudium kurz vor dem Examen unterbrechen. Ihre Professoren gaben ihr die Möglichkeit während des Zwangs-Urlaubssemesters, ihre Unterzuckerungen unter Kontrolle zu bekommen. Ihr wurde gesagt, dass sie erst wieder zurück an die Uni kommen dürfte, wenn sie ihre Unterzuckerungen unter Kontrolle hätte, da das für die anderen Studenten eine Zumutung wäre.

In dieser Zeit sah ihr Ehemann in den USA eine Reportage über Diabetikerwarnhunde im Fernsehen.

Luca Barrett rief Assistenzhundorganisationen in Deutschland an und bat sie um Hilfe für sie einen Diabetikerwarnhund auszubilden. Niemand in Deutschland wusste, wie diese Hunde ausgebildet werden, so konnte ihr keiner helfen. Deshalb wandte sie sich an die Ausbilder in den USA, die dort bereits Diabetikerwarnhunde ausbildeten. Kurz später flog sie in die USA und besuchte einige Diabetikerwarnhundtrainer und ließ sich dort die Techniken erklären, wie Hunde auf die Unterzuckerungen trainiert werden.

Nachdem sie wieder zurück in Deutschland angekommen war, entschied sie sich einen Hund aus dem Tierschutz zu adoptieren. Sie war seit 2003 aktiv im Tierschutz tätig und von daher stand fest, dass der Hund, den sie aussuchen würde, aus dem Tierschutz sein sollte. Für sie war klar „Wenn der Hund mir irgendwann einmal mein Leben rettet, rette ich zuerst einmal ihm das Leben.“

So flog sie 2007 in eine Tötungsstation in Andalusien, Spanien, und kehrte mit dem vier Monate jungen Mischlingsrüden Finn zurück.

Von der ersten Minute an, noch in der Tötungsstation, folgte Finn ihr wie ein Schatten, schlief an ihrer Seite und brachte alle mit seiner fröhlichen Art zum Lachen. Die erste Unterzuckerung erkannte Finn nachts nach zwei Monaten. Die nächste Unterzuckerung zwei Tage später, morgens. Seitdem hat Finn keine Unterzuckerung seines Frauchens verpasst und ihr mehrmals das Leben gerettet.

Mit viel Geduld, Zeit, Liebe und Verständnis füreinander und gegenseitigem Lernen, wurde aus dem jungen Welpen aus der Tötungsstation ein international geprüfter Diabetikerwarnhund, der sie überall hin begleitet und sie kein einziges Mal im Stich gelassen hat.

Durch Finns Vorbild und ihn als Lehrmeister konnte sie auch anderen Diabetikern helfen und ein Trainingsprogramm entwickeln für die Ausbildung von Diabetikerwarnhunden.

Viele Menschen, die von Finn aus den Medien erfahren haben oder ihm begegnet sind, waren begeistert von ihm. So wurden bereits zur Ehre an ihn, fünf weitere Hunde „Finn“ genannt.

Autismushund


Von allen Assistenzhunden in diesem Bereich werden Assistenzhunde für Menschen (insbesondere Kinder) mit Autismus am längsten ausgebildet. 1996 arbeiteten Chris und Heather Fowler bei einer Organisation die Signalhunde ausbildet. Sie erhielten eine Anfrage von der Mutter eines 3-jährigen Jungen mit Autismus. Ihr Sohn Brodie wurde im Alter von 2 Jahren mit Autismus diagnostiziert. Brodie war gewalttätig, verletzte sich selbst und wirkte wie in seiner eigenen Welt. Er lief häufig weg auf die Straße, obwohl dort Autos fuhren. Seine Mutter war verzweifelt und suchte nach Möglichkeiten ihrem Sohn helfen zu können. Sie besuchte eine Autismus-Konferenz. Auf dieser Konferenz sah sie einen Mann im Rollstuhl, der einen Assistenzhund und gleichzeitig Autismus hatte. Während der Konferenz beobachtete sie, wie der Mann sich in einer Menschenmenge zu seinem Hund beugte und ihn streichelte und ihn das offensichtlich ruhiger und konzentrierter werden ließ. Nachdem dieser Mann den Kontakt zu seinem Hund gesucht hatte, konnte er auch wieder mit anderen Menschen sprechen.

Maureen Butler-Morin kam von der Konferenz nach Hause und sagte zu ihrem Mann, dass sie glaubt, ein Assistenzhund könnte Brodie helfen. Sie erzählte ihm von der Begegnung mit dem Mann im Rollstuhl auf der Konferenz und sagte „wenn das nicht hilft, macht es nichts, wir haben es dann zumindest versucht.“ Daraufhin rief sie alle Assistenzhundorganisationen in Kanada an. Keiner konnte ihr helfen einen Assistenzhund für Brodie auszubilden. Einige boten ihr zwar an einen Begleiter für Brodie, als seelische Unterstützung auszubilden, aber keinen Assistenzhund. Sie wollte keinen seelischen Unterstützer, der Brodie nur zu Hause zur Seite stand. Sie wollte einen Hund, der ihm wirklich helfen kann. Was war mit dem weglaufen? Was war in der Öffentlichkeit, wenn Brodie niemanden an sich heranließ? Sie hatte den Assistenzhund auf der Konferenz gesehen und wie der Mann durch ihn fähig war zu kommunizieren, so etwas hat sie sich vorgestellt. Ein Assistenzhund, der Brodie überallhin begleitet und ihm ermöglicht ein selbstständiges Leben zu führen.

Sie suchte weiter nach jemandem, der ihr helfen könnte. Sie rief Organisationen in den USA an. Auch in den USA konnte ihr niemand helfen. Assistenzhunde für jemanden mit Autismus kannten sie nicht. Dieselben Reaktionen wie sie bereits von den Organisationen in Kanada, kurz zuvor, erhalten hatte.

Da erkannte sie, dass es niemanden gab der weiß, wie solche Assistenzhunde für Kinder mit Autismus ausgebildet werden. Nicht in Nordamerika, nicht irgendwo anders auf der Welt. Noch ein zweites Mal telefonierte Maureen Butler-Morin Organisationen in Kanada ab. Heather und Chris Fowler erklärten sich jetzt bereit ihr zu helfen. Sie hatten zwar Erfahrung mit Assistenzhunden, aber keinerlei Erfahrung mit Autismus. Sie hatten noch nie mit jemandem gearbeitet, der Autist war. Das erklärten sie Frau Butler-Morin und sagten, dass sie es nur versuchen können.

Aus ihrem Signalhundeprogramm erhielt Brodie 1996 eine schwarzen Labrador Hündin namens Shade. Das erste Mal, als Brodie Heather und Chris Fowler traf, wippte er nur hin und her. Wollte seine Mutter dieses Verhalten unterbrechen, schlug er sie. Gegenüber dem Hund zeigte Brodie nie aggressives Verhalten. Unterbrach der Hund sein Verhalten, wurde Brodie ruhig.

Nach der Übergabe von Shade berichteten viele Medien in Kanada über das Ereignis. Viele weitere Eltern von autistischen Kindern meldeten sich bei den Fowlers, was zur Gründung der gemeinnützigen Organisation „National Service Dogs“ – dem ersten Ausbildungsprogramm für Menschen mit Autismus führte.

Shade veränderte Brodies Leben schon nach kurzer Zeit. Fast sofort, nachdem Shade in sein Leben getreten war, begann Brodie zu sprechen, Augenkontakt zuzulassen und mit anderen Kindern zu spielen. Eine der größten Sorgen von Maureen war, ob man es schaffen könnte Shade irgendwie so an Brodie festzubinden, dass Brodie nicht mehr weglaufen kann. Diese Idee war sehr risikoreich. Was wenn der Hund nach Bällen oder Katzen jagen würde, während der kleine Brodie an ihm festgebunden ist? Da es vorher noch niemand versucht hatte, musste es jemanden geben der es zum ersten Mal versucht. Der Versuch gelang und es kam nie zu Verletzungen. Umso deutlicher wurde jedoch, wie wichtig ein sehr gut ausgebildeter Assistenzhund mit dem richtigen Temperament ist. Innerhalb der ersten 25 Jahre hat „National Service Dogs“ 555 Autismushunde ausgebildet für Menschen in Kanada und den USA.

Shade ist, nachdem sie mit zunehmendem Alter in Rente gehen durfte, inzwischen verstorben. Der junge Brodie hat inzwischen seinen dritten Autismushund und hat die High School abgeschlossen. Er unterstützt die Organisation heute tatkräftig bei der Einschulung von neuen Teams und bei Veranstaltungen.


Brodie mit seinem Nachfolge-Autismushund Shadow

Assistenzhunde für Menschen mit psychischen und psychiatrischen Erkrankungen


1997 merkte Joan Esnayra, eine Biologin, die an Bipolarer Störung und posttraumatischer Belastungsstörung leidet, dass ihr Rhodesian Ridgeback Wasabe auf ihre manischen Zustände reagierte. Stand Joan Esnayra kurz vor einer manischen Episode, stupste Wasabee immer wieder ihren Ellenbogen an. Diese Reaktion war zuverlässig und eindeutig. Sie wiederholte sich immer wieder. Für Joan Esnayra reichte das, um zu wissen, dass Hunde zuverlässig als Assistenzhunde für psychische Erkrankungen ausgebildet werden können.

Sie brachte Wasabe bei, sie an die Medikamenteneinnahme zu erinnern und sie bei Depressionen zu trösten. So wurde Wasabe der erste Assistenzhund für psychische Erkrankungen. Nach Wasabe suchte sie sich gezielt einen Rhodesian Ridgeback Welpen aus, der als Assistenzhund geeignet wäre. Ihn bildete sie von Beginn an als Assistenzhund für sich selber aus.

2002 gründete Joan Esnayra eine gemeinnützige Organisation, die „Psychiatric Service Dog Society“, um über diese Assistenzhunde zu informieren und Betroffenen Hilfestellung zu leisten. Vor der Schließung hatte ihre Organisation über 200 Mitglieder und leistete Hilfe zur Selbsthilfe und Aufklärungsarbeit. Sie verstanden sich als „Grassroot community“ und bildeten selbst keine Assistenzhunde aus. Vielmehr klärten sie die Öffentlichkeit über Assistenzhunde für psychische Erkrankungen auf und berieten Betroffene bei der Selbstausbildung ihrer Hunde.

Jahrelang wurden Assistenzhunde für Menschen mit einer psychischen Erkrankung nur in Selbstausbildung in den USA ausgebildet. Die meisten davon als PTBS-Assistenzhunde für Menschen, die in der Kindheit traumatisiert worden sind. Nachdem 2008 in den USA viele Soldaten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung aus dem Irak und Afghanistan Krieg zurückgekehrt waren, fingen auch Assistenzhundorganisationen an, Assistenzhunde für diese Soldaten auszubilden. Die erste Organisation die PTBS-Assistenzhunde seit Februar 2008 ausbildet, ist „Puppies behind bars“ in den USA.


Joan Esnayra mit Wasabe


Internationale Entwicklung


Joan Esnayra arbeitete von 2007 bis 2010 eng mit Luca Barrett (Pionierin der Diabetikerwarnhunde in Deutschland) daran ein Programm zu erarbeiten, um die Ausbildung von PTBS-Assistenzhunden nach Europa zu bringen. Von Anfang an war die amerikanische Pionierin Esnayra begeistert von der Idee, dass auch Menschen in Europa einen PTBS-Assistenzhund bekommen könnten. Gemeinsam mit der deutschen Assistenzhundetrainerin Diana Poyson gelang es den drei Frauen PTBS-Assistenzhunde nach Europa zu bringen. In Folge dieses Programms bildeten sie 2008 gemeinsam im Deutschen Assistenzhunde-Zentrum T.A.R.S.Q. den europaweit ersten PTBS-Assistenzhund aus. In den nächsten Jahren folgten weitere ehrenamtlich ausgebildete PTBS-Assistenzhunde. Diana Poyson und Luca Barrett entwickelten bis 2011 anhand der Bedürfnisse Betroffener zusätzliche Aufgaben, die PTBS-Assistenzhunde erlernen können.

Wie anfänglich in den USA, wurden auch in Europa zuerst nur PTBS-Assistenzhunde für Frauen ausgebildet, die in der Kindheit Opfer sexueller Gewalt wurden. 2013 meldeten sich dann die ersten Veteranen der Bundeswehr mit der Bitte um Hilfe. Trotzdem werden in Europa weiterhin, anders als in den USA, vorwiegend PTBS-Assistenzhunde für Betroffene ausgebildet, deren Trauma aus der Kindheit stammt.

Demenz-Assistenzhund


Das Konzept von Demenz-Assistenzhunden begann 2003 in Israel, als die Sozialarbeiterin Daphna Golan-Shemesh der Hundetrainer Yariv Ben Yosef vorgestellt wurde.

Die Sozialarbeiterin arbeitet an der Tel Aviv Universität, wo sie sich auf Geriatrie spezialisiert hat. Als Geriatrie in Israel noch ganz neu war, war sie die Pionierin für diesen Bereich. Bereits 1989 gründete sie ein Heim für Patienten mit Alzheimer und Demenz „House of the Sun“, das 2003 dauerhaft 90 Betroffene beherbergte.

Der Hundetrainer berichtet der israelischen Zeitung „Israel 21c“: „Wir saßen zusammen und sprachen darüber, was wir so arbeiteten, als uns plötzlich ein Licht aufging. Uns war sofort klar, dass Daphna´s Wissen über Alzheimer und meine Kenntnisse über Hunde auf etwas Neues hinauslaufen könnten. Wir diskutierten, warum wir eigentlich keine Hunde ausbilden können, die diesen Menschen helfen, nicht nur als Therapiehunde – sondern als richtige tägliche Unterstützung im Alltag.“ Von Anfang an war er überzeugt davon, dass „Alzheimer-Hunde“, wie er sie nannte, eines Tages so bekannt sein werden wie Blindenführhunde.

Als die beiden mit der Ausbildung von Demenz-Assistenzhunden starteten, trainierten sie viele Hunde, deren Ausbildung sie nach kurzer Zeit wieder aufgeben mussten. Keiner dieser Versuche klappte. Das lief vier Jahre so. Bis sie erkannten, dass sie für diesen Job den richtigen Hund brauchten:

Sie bekamen die Kurzhaar-Collie-Hündin Polly aus Finnland. Polly wurde weltweit der erste Demenz-Assistenzhund. Sie half dem 62-jährigen Yehuda seit dem Anfangsstadium seiner Alzheimererkrankung. Er verließ sich auf Polly als Sicherheitsnetz, wenn sein Gedächtnis ihn verließ. Die Hündin begleitete ihn überallhin und wenn er verwirrt wurde, musste er nur das Kommando „Hause“ hervorbringen und Polly brachte ihn wieder zurück nach Hause.

Die beiden Ausbilder fanden Yehuda in einer Alzheimer-Selbsthilfegruppe. Vor seiner Erkrankung war er ein sehr aktiver Mann. Seine Frau und seine Kinder arbeiteten den ganzen Tag, wodurch er ein sehr isoliertes und eingeschränktes Leben führte, bevor er Polly bekam.

Yehuda erzählt der Zeitung: „Mit der Krankheit umzugehen ist schwierig. In meiner Situation ist es einfach mich zu fühlen, als wäre mein Leben zu Ende, weil ich plötzlich abhängig bin. Man kann nur noch im Bett liegen bleiben und sich im Selbstmitleid suhlen. Aber Polly lässt mich nicht lange im Bett liegen. Wenn sie der Meinung ist, dass ich lange genug geschlafen habe, zieht sie meine Decke weg und bringt mir ihren Ball zum Spielen. Und ich sage dann „Okay, okay, ich werde einige Minuten mit dir spielen“, und stehe auf, um mit ihr zu spielen.

Bevor ich nachdenken kann, bin ich draußen mit ihr eine Stunde spazieren gegangen und habe andere Leute getroffen, mit denen ich mich unterhalten habe. Eins der Probleme dieser Erkrankung ist Einsamkeit. Du baust eine Mauer um dich herum auf und redest nicht mehr mit anderen. Mit Polly habe ich nicht mehr den Luxus mich isolieren zu können. Ständig kommen Leute auf sie zu, spielen mit ihr oder stellen mir Fragen über sie. Durch sie bin ich immer noch ein Teil der Gesellschaft. Seit ich sie habe, habe ich keine Angst mehr zu stürzen oder mich zu verirren. Durch sie fühle ich mich frei. Ich bin nicht abhängig von meiner Frau und den Kindern. Und seit einigen Monaten habe ich mein Handy nicht mehr gebraucht, um meine Frau oder Kinder um Hilfe zu bitten.“

Nachdem Yehuda und Polly ein Erfolg waren, haben Ben Yosef und Golan Shemesh eine Kooperation mit der israelischen „Alzheimer’s Association“ vereinbart, um die Ausbildung voranzubringen und auch für andere Gruppen und Trainer weltweit die Möglichkeit von Demenz-Assistenzhunden bekanntzumachen.


Polly


Internationale Entwicklung


2012 begann in Schottland ein Pilotprojekt bei dem drei Demenz-Assistenzhunde für Paare ausgebildet wurden, von denen einer Demenz im Anfangsstadium hat und der andere ihn pflegt. Seitdem wurden viele weitere Demenz-Assistenzhunde ausgebildet und weltweit nahmen Assistenzhundeorganisationen die Ausbildung von Demenz-Assistenzhunden in ihr Programm auf.


Allergenanzeigehund


2007 wurden in den USA die ersten Allergenanzeigehunde für Erdnussallergie ausgebildet.


Internationale Entwicklung


Die britische Organisation „Medical Detection Dogs“ bildete 2013 den ersten Allergenanzeigehund Europas aus. Der Zwerpudel Nano zeigt seiner Besitzerin Yasemine zuverlässig an, wenn irgendwo Spuren von Nüssen zu finden sind.


Nano mit Yasemine

FAS-Assistenzhund, Assistenzhund für Mehrfachbehinderungen, Assistenzhund für Down-Syndrom, Narkolepsiewarnhund, Schlaganfallwarnhund, Migränewarnhund, Asthmawarnhund


Derzeit ist nicht bekannt, wer, wann und wo die ersten weltweiten Assistenzhunde dieser Arten ausgebildet hat. Sie waren einfach plötzlich da – immer in Assistenzhundeprogrammen, die auch noch weitere Assistenzhundearten ausbilden. Von daher ist davon auszugehen, dass sie sich nicht von sich aus entwickelten wie die anderen Arten, sondern vielmehr aus bereits bestehenden Assistenzhundearten heraus.

Geschafft und weiter